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Alle Ölgemälde des Komponisten entstanden ca. 1963/65 in Quedlinburg

Auf eigene Faust

Zum 80. Geburtstag des

Komponisten Christfried

Schmidt

Eine Wohnung in Prenzlauer Berg:

Bilder, ungerahmt, stehen im Regal,

auf Türmen von Büchern und Noten.

Eine Ansicht Prags und zwei Porträts,

das des Vaters und das der Mutter.

Christfried Schmidt hat sie selbst

gemalt. Die Farben lodern, doch steckt

alles in festen Konturen; Gegenstände

und Lichtwechsel sind von klaren

Linien gefasst wie in Bleiglasfenstern

oder auf Holzschnitten. Christfried

Schmidt hätte durchaus Maler werden

können, entschied sich aber

irgendwann fürs Komponieren.

Geboren in Markersdorf in der

Oberlausitz, führte ihn sein Weg

zunächst in die Kirchenmusik. Er lernte das Handwerk

des Kantors und Organisten, wurde aber bald von der

Musik Schönbergs und Weberns und einer Leidenschaft

fürs Komponieren gepackt. Das eigene

Ausdrucksbedürfnis kollidierte mit den Verhältnissen.

Im Kirchendienst, später als Kapellmeister in

Quedlinburg wurde ihm

das Arbeiten sauer; der Komponistenverband der DDR

hielt ihn auf Distanz, nahm ihn erst nach mehrjähriger

Beobachtung auf. Gleichwohl gelang es ihm auf eigene

Faust, im Ausland, besonders in Prag und Warschau,

Kontakte zu knüpfen. Während er in der DDR

weitgehend geschnitten wurde, spielte man ab 1970

seine Musik in Tokio und verlieh ihm Komponistenpreise in Nürnberg, Stettin und Triest. Danach war Schmidt im eigenen Land nicht mehr zu

ignorieren. Große Orchesterwerke gelangten zur Aufführung, das Nationaltheater Weimar erteilte ihm den Auftrag zur Oper „Das Herz“ nach

Heinrich Mann. Sieben Sinfonien (fünf heißen „Orchestermusik“), sechs Solokonzerte, elf große Kammermusiken, eine Markuspassion sind

entstanden – das meiste für die Schublade. „Zu schwer, unaufführbar“, musste er sich oft anhören. Er schreibt komplex, ohne sich das Etikett

der „New

Complexity“ angeheftet zu haben. Zum Marketing fehlt ihm jede Begabung. Dass Ausdruck konstruktiv und nicht nur gestisch beglaubigt

werden muss, ist ihm aber so unverzichtbar wie der Sprachcharakter, den Kunst nicht im technischen Kalkül verlieren darf. Wenn jemand wie

der Pianist Frank Gutschmidt dann doch einmal diese Musik spielt, merkt man, dass sie klingt, oft sogar mit heißer Sinnlichkeit.

Am 26. November wird Christfried Schmidt achtzig Jahre alt. Keines der Berliner Opern- und Konzerthäuser würdigt diesen Anlass mit einer

Veranstaltung.

(In: Jan Brachmann, Berliner Zeitung 24./25. November 2012)

 
Christfried Schmidt
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